Johann-Pischeltsrieder-Weg
Johann Pischeltsrieder (1887-1958), Weltkriegsteilnehmer in Frankreich, vier Jahre in italienischer Kriegsgefangenschaft, übernahm nach seiner Rückkehr die elterliche Landwirtschaft in Icking. 1923 wurde er erstmals zum Bürgermeister gewählt und blieb es ohne Unterbrechung bis 1945. Er war Mitglied der Bayerischen Volkspartei, nach 1933, gekoppelt an sein Amt, der NSDAP. Aktiv trat er als Amtsleiter der „NS-Volkswohlfahrt“ hervor, nominell gehörte er weiteren NS-Organisationen wie dem „Luftschutzbund“ an. Als Teil der alten bäuerlichen Dorfelite tat er im Amt alles, „den verderblichen Parteitendenzen und Befehlen entgegen zu treten und nachhaltigst einen Kampf gegen die Partei selbst“ zu führen, so das Urteil der Spruchkammer im Jahre 1946.
Außergewöhnlich mutig wandte er sich gegen Antisemitismus und Judenverfolgung und duldete nicht nur den Aufenthalt von Juden in der Gemeinde, sondern bot ihnen Hilfe und Schutz. Dafür gibt es zahlreiche Bestätigungen und eidesstattliche Erklärungen: So würdigt die Jüdin Else Rosenfeld in ihren Tagebuchaufzeichnungen die Unterstützung durch den Bürgermeister und dessen Bruder Josef während der Zeit der Verfolgung. Dr. Rudolf Picard, „Volljude“ im Sinne der NS-Rassegesetze, durfte mit seiner Ehefrau unangemeldet in Icking wohnen. Vera Kinen konnte bis 1943 mit Wissen und unter dem Schutz Pischeltsrieders die jüdische Verwandtschaft ihres 1939 ausgewanderten Mannes in Icking verstecken. Dr. Heinz Pringsheim bestätigt, dass sich in Icking zwei weitere Jüdinnen verbergen konnten. Pischeltsrieder habe es meisterhaft verstanden, Denunziationen abzuwenden. Er nutzte seine Handlungsspielräume zum Schutz der Verfolgten. Sowohl die Begründung des Spruchkammerverfahrens wie das Urteil des Kassationshofs im Bayerischen Innenministerium für Sonderaufgaben bestätigen zwar Pischeltsrieders formelle Zugehörigkeiten, würdigten aber vollumfänglich sein Verhalten. Seit 1947 galt er endgültig als entlastet. 1948 übernahm er wiederum bis 1957 das Amt des Bürgermeisters; er war mit 900 von 1000 Stimmen wiedergewählt worden.
Während seiner Amtszeiten wuchs die Gemeinde, bestehend aus Icking, Irschenhausen und Walchstadt, von 392 (1919) auf 2062 (1953) Einwohner an. Damit vervielfachten sich auch die Aufgaben, die der Landwirt nebenbei erledigen musste. Vor allem die Unterbringung der Evakuierten während des Krieges und die Integration der Heimatvertriebenen in der Nachkriegszeit bildeten große Herausforderungen. 1957 verlieh ihm die Gemeinde Icking für seine hervorragenden Leistungen die Ehrenbürgerwürde. Der Landrat würdigte in der Feierstunde vor allem auch seine Verdienste um das Ickinger Realgymnasium: Pischeltsrieder hatte günstig das Gelände zur Verfügung gestellt und das Bauvorhaben als Bürgermeister immer unterstützt. Charakteristisch war Pischeltsrieders Antwort auf die Ehrung: Er habe sich bemüht, stets nach bestem Gewissen seine Pflicht zu tun.“
Quellen:
- Bundesarchiv Berlin: es liegen keine Akten vor;
- Staatsarchiv München Spruchkammerakt, StAM Spk 3714, Johann Pischeltsrieder sowie Spruchkammerakt Josef Pischeltsrieder;
- Gemeindearchiv Icking;
- Isar-Loisach-Bote, 31. Mai 1957
Literatur:
- Erich Kasberger/Marita Krauss, Leben in zwei Welten. Tagebücher eines jüdischen Paares in Deutschland und im Exil, München 2011 (Aufzeichnungen Else Rosenfeld, u.a. S. 50f., 90, 96).
Portrait Johann Pischeltsrieder
(Bildarchiv Dr. Schweiger, Icking)