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Wenzberg

Im Volksmund hieß der Wenzberg bereits vor der offiziellen Namensgebung nach der Familie Wenz, die dort Grundstücke besaß. Im Zuge der Ickinger Straßenbenennungen von 1956 erhielt er dann auch offiziell diese Bezeichnung. Die Benennung schloss an die Tradition an, Hausnamen als Flurnamen zu verwenden: Da die Familie Wenz über dreißig Jahre an dieser Straße wohnte und dort viel Grund besaß, hatte sich der Name eingebürgert und wurde als Straßenname aufgenommen. Eine persönliche Ehrung war mit der Benennung nicht verbunden; eine Straßenbenennung nach lebenden Personen ist in Demokratien äußerst selten.

Die Familie Wenz gehörte zur Gruppe der vermögenden großbürgerlichen Zugezogenen aus der Stadt; sie wohnte mit insgesamt fünf Kindern seit 1916 in Icking. Dr. Paul Wenz (1875-1965) war Architekt, seine Frau Else Wenz-Vietor (1882-1973) Malerin, Illustratorin und Entwerferin von Möbeln und Textilien; sie gilt heute als eine der erfolgreichsten Kinderbuchillustratorinnen des deutschsprachigen Raums. Paul Wenz, Sohn des Kommerzienrats und Unternehmers Adolf Wenz, hatte in München und Berlin Architektur studiert, arbeitete zunächst bei damals führenden Architekten wie Gabriel v. Seidl und Theodor Fischer, seit 1903 im eigenen Architekturbüro. Paul Wenz gehörte der Münchner Vereinigung für angewandte Kunst an, die 1910 im Pariser „Salon d’Automne“ ausstellten. Seit 1913 war er mit Else Wenz-Vietor verheiratet; für beide war es die zweite Ehe. Else Wenz-Vietor war als eine der wenigen Frauen über viele Jahrzehnte mit den Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst in München und Dresden sowie dem Deutschen Werkbund verbunden und stellte international aus. Sie war eng mit der jüdischen Ärztin, Frauenrechtlerin und Zionistin Rahel Straus befreundet. Das Ehepaar war als Mitglied des Elternvereins seit den 1920er Jahren am Aufbau der Ickinger Privatschule beteiligt.

Am 1. Mai 1933 trat Paul Wenz der NSDAP, der SA und der NS-Volkswohlfahrt bei und gehörte seit 1933 als Baureferent auch dem Gemeinderat an. Else Wenz-Vietor leitete seit 1933 die Ickinger NS-Frauenschaft. Die Kinder waren in NS-Jugendorganisationen aktiv, die Tochter Ingrid Wenz bis 1936 als BdM-Ringführerin. Die beiden Söhne starben im Zweiten Weltkrieg. Zwischen 1933 und 1945 baute Paul Wenz neben etwas mehr als 20 Privathäusern, darunter etliche in Icking, das Münchner Prinzregentenstadion, die Bühnenanlage des Landestheaters in Linz, das ehemalige Verwaltungsgebäude der Sprengstoffwerke, jetzt Rathaus Geretsried, und die dazugehörenden Ingenieurshäuser, ein Schulhaus in Wolfratshausen sowie wohl ein NSV-Heim in Mühldorf. Den Bauauftrag für das Prinzregentenstadion erhielt Wenz vor der Machtübernahme von einem Privatmann, die Pläne wurden bis Ende 1933 ausgeführt. Eine Verbindung von Paul Wenz zu den Aufträgen für die „Führerstadt Linz“ ist bei der Neugestaltung des Bühnenraumes in Linz nicht nachweisbar. Die Bauten im heutigen Geretsried dienten der Rüstung für den Krieg. Dies war dem Architekten Wenz bekannt und spätestens seit Kriegsbeginn in seinen Folgen sichtbar. Else Wenz arbeitete eng mit dem Zoologen und Mundartdichter Max Dingler zusammen, der mit einer Nichte von Paul Wenz verheiratet war. Max Dingler war 1922 Mitbegründer der NSDAP-Ortsgruppe Murnau. Else Wenz illustrierte insgesamt neun Bücher für ihn. Ihre Illustrationen waren unpolitisch und gefällig, sie fügten sich problemlos in den NS-Kunstbegriff ein.

Nach dem Krieg wurden beide interniert. 1948 konstatierte die Berufungskammer der Spruchkammer Oberbayern, Wenz sei „ein nominelles, wenn auch zuerst gläubiges Partei- und SA-Mitglied“ gewesen und habe den NS „nur unwesentlich“ unterstützt. So übte Wenz die Ämter eines Ortsgruppen-Schulungsleiters und Ortspropagandaleiters, die nie von der Partei bestätigt wurden, nicht aktiv aus. Auch die Funktion eines Kriegsvertreters des Landesleiters der Reichskammer der bildenden Künste, die er seit 1944 innehatte, wurde nicht von Berlin bestätigt. Im Urteil der Spruchkammer spielten die Bauten keine Rolle; auch Architekten, die wesentlich größere Aufträge für Partei und Regime abgewickelt hatten, wurden nach dem Krieg dafür nicht zur Rechenschaft gezogen. Ob dies heute anders zu bewerten ist, wäre auch bei anderen Architekten zu diskutieren. Im Januar 1946 schrieb Else Wenz-Vietor an Max Dingler: „Woher soll uns Gutes kommen? Haben wir – das Volk – doch selbst alles verschüttet und erstickt unter einer Lawine von Niedertracht.“

Nach Internierung und Entnazifizierung lebte das Ehepaar Wenz zurückgezogen in Icking.

 

Quellen:

  • Staatsarchiv München STAM Spk Kt. 3013 Sprüche Oberbayern W-Z; STAM LRA 40407;
  • Bundesarchiv Berlin BArch Reichskulturkammer BArch R 9361 V/107008; Parteikorrespondenz BArch PK Wenz, Paul;
  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, BayHStA OBB 12-791;
  • Gemeindearchiv Icking;
  • Monacensia Literaturarchiv;
  • Archiv des Alpinen Museums;
  • Stadtarchiv Wolfratshausen; Wolfratshauser Beobachter Juli 1933 - September 1934; Wolfratshauser Tagblatt Juli 1933 - Juli 1944 (vollständig bis auf Lücken in den Jahren 1936, 1938, 1943/44)
  • Harald Rehm, Die Kunst des Reiches im Völkerraum Europas, Oldenburg 1941
  • Rahel Straus, Wir lebten in Deutschland, Erinnerungen einer deutschen Jüdin 1880-1933, Stuttgart 1961

 

Literatur:

  • Geretsrieder Hefte 2016/1 und 2016/2.
  • Marita Krauss, Rahel Straus, in: Hiltrud Häntschtzel/Hadomud Bussmann (Hrsg.), Bedrohlich gescheit, München 1997, S.236-241.
  • Museum Aschenbrenner (Hrsg.), Feine Striche, große Entwürfe, Else Wenz-Vietor (1882-1973), Garmisch-Partenkirchen 2016.
  • Winfried Nerdinger, Bauen im Nationalsozialismus, München 1993.
  • Karin Wichmann, Von Moris bis Memphis, Berlin 2013.


 

Bild

Eheleute Wenz
(Bildarchiv Dr. Schweiger Icking)

Bild

Haus am Wenzberg
(Bildarchiv Dr. Schweiger Icking)